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31.03.2023
Von der Aussaat bis zum Hemd – Textile Prozesskette aus Süddeutschland
Landesstrategie „Nachhaltige Bioökonomie“ fördert Projekt der TEXOVERSUM Fakultät Textil
- Ein ganzer Ballen Flachsstroh, aus dem mit Hilfe innovativer Verfahren textile Fasern gewonnen werden sollen. Quelle Fotos: Hochschule Reutlingen
Es ist beinahe wie im Märchen, wo Stroh zu Gold gesponnen wird: Aus den heimischen Pflanzen Flachs und Hanf sollen textile Fasern gewonnen werden, die je nach Beschaffenheit in verschiedenen Bereichen von Dämmstoffen bis Garne für Oberbekleidung Anwendung finden. Eine märchenhafte Rolle für die notwendige Prozessinnovation spielt dabei die hochmoderne, weltweit einzigartige „Steam-Explosion-Forschungsanlage“ des Startups ‚Fibers365‘, die im Winter von der Landespolitik in Lenningen eingeweiht wurde.
Auf dem dortigen Innovationscampus fördert das Ministerium für Ernährung, Ländlicher Raum und Verbraucherschutz im Rahmen der Umsetzung der ‚Landesstrategie Nachhaltige Bioökonomie‘ unter anderem das Projekt „FLAX365“, an dem die Hochschule Reutlingen beteiligt ist. „Die TEXOVERSUM Fakultät Textil begleitet das Projekt wissenschaftlich, unterstützt bei der Produktentwicklung und steuert das textiltechnische Knowhow bei. Hier fließt die in unserem Nachhaltigkeitslabor gebündelte jahrelange Erfahrung in der Naturfasergewinnung und -verarbeitung ein.“, berichtet Martina Gerbig, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Nachhaltigkeit und Recycling.
Eine mehrmonatige Machbarkeitsstudie untersucht die gesamte Prozesskette von der Landwirtschaft über die Faseraufbereitung bis hin zur Herstellung marktfähiger Produkte. Als Ausgangsmaterial dienen die in der Region angebauten Faserpflanzen Flachs- und Hanf, deren geerntete Halme als Nebenprodukte nutzbar gemacht werden. „Hervorzuheben ist der nächste Schritt, in dem die Halme mit Hilfe des Dampf-Aufschluss-Verfahrens (Steam-Explosion) in ihre Einzelbestandteile aufgetrennt und industriell nutzbar gemacht werden.“, berichtet Kai Nebel, Leiter der Forschungsschwerpunkte Nachhaltigkeit & Recycling, vom Besuch der Anlage. „Das Verfahren kommt ohne Chemikalien aus, arbeitet nur mit Wasser und Druck und ist sehr wirtschaftlich.“, so Nebel, der sich davon die notwendige Akzeptanz in der baden-württembergischen Industrie erhofft.
Überaus interessant werden die zu entwickelnden textilen Vor- und Endprodukte sein: Denkbar sind Anwendungen auf Vliesstoffbasis in Bereichen wie Verpackungen, Automobil oder als Baustoff dienende Geotextilien. Werden die Fasern noch weiterverarbeitet, können daraus sogar Garne für Web- und Strickwaren wie zum Beispiel in Oberbekleidung entstehen.
Und dann wird das moderne Märchen wahr: In Baden-Württemberg wird die regionale Wertschöpfung und Kreislaufwirtschaft wiederbelebt. Und von der Aussaat bis um Hemd entstehen aus nachwachsenden Roh- und Reststoffen wettbewerbsfähige Produkte in der Region.